Freiwillige Prügel schützen nicht vor Strafe

25.04.2023 – BGH: Körperverletzung trotz Einwilligung sittenwidrig.
Drei heranwachsende Jugendliche wurden nach einer Schlägerei wegen gefährlicher Körperverletzung sanktioniert. Der objektive Betrachter würde daran grundsätzlich nichts auszusetzen haben. Allerdings hatten sich die Jugendlichen mit anderen Jugendlichen und Heranwachsenden „verabredet“, um sich...

Weiterlesen... zu schlagen. Diese „Verabredungen“ sind der Allgemeinheit gewöhnlich aus der Hooligan-Szene bekannt. Alle Beteiligten beider Gruppen stimmten zu, die Auseinandersetzung auch mit Faustschlägen und Fußtritten auszutragen. Insbesondere wurde auch die Möglichkeit erheblicher Verletzungen gebilligt. Bei der folgenden Schlägerei wurden mehrere Personen verletzt, zum Teil auch erheblich.
Vor dem Landgericht wurden die Angeklagten wegen Körperverletzung verurteilt. Nach Ansicht des Landgericht waren die vorher erteilten Einwilligungen der Verletzten in die Schläge und Tritte nicht als Rechtfertigung zugunsten der Angeklagten zu werten, da die Körperverletzungen trotz dieser Einwilligungen im Sinne von § 228 StGB gegen die „guten Sitten“ verstießen. Diese rechtliche Bewertung wurde dem BGH zur Prüfung vorgelegt.
Der BGH hat die Rechtsauffassung des Landgerichts bestätigt. Bereits in der Vergangenheit hatte der BGH bereits Einwilligungen von späteren Opfern von Körperverletzungen keine rechtfertigende Wirkung beigemessen, wenn die Taten mit einer konkreten Gefahr des Todes für die Opfer verbunden waren. Diese Rechtsauffassung wurde nun noch weiter ausgeführt, daher hat der BGH unmissverständlich dargelegt, dass jedenfalls bei einer verabredeten wechselseitigen Auseinandersetzung mit Tätlichkeiten zwischen Gruppen die Wirksamkeit der erteilten Zustimmung zu eigenen Verletzungen regelmäßig ausgeschlossen ist, weil die typischerweise eintretenden gruppendynamischen Prozesse generell mit einem so erheblichen Grad an Gefährdung des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit der Kontrahenten verbunden sind, dass die Grenze der „Sittenwidrigkeit“ der Taten überschritten ist.

Es darf weiter gedealt werden

19.03.2023 – BVerfG: Gesetzliche Regelung zur Verständigung im Strafprozess ist verfassungsgemäß – aber informelle Absprachen sind unzulässig.
Nun standen die gesetzlichen Regelungen zur Verständigung im Strafprozess vor dem BverfG auf dem Prüfstand. Es ist gesetzlich in § 257c StPO ausdrücklich...

Weiterlesen... geregelt, dass das Gericht in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten, also Staatsanwalt und Angeklagter bzw. Verteidiger, über die Rechtsfolgen der Verurteilung eine Vereinbarung treffen kann, mithin Absprachen getroffen werden können. Nach eindeutiger und unmissverständlicher Gesetzeslage ist ein Gericht aber auch gemäß § 244 Abs. 2 StPO zur Aufklärung verpflichtet und diese Verpflichtung soll laut § 257c StPO nicht durch die Absprache berührt werden. Dass das in der Praxis nicht immer gelingt, sollte jedem klar sein, trotzdem hat das BverfG solche Deals als mit den Grundsätzen des Rechtsstaats vereinbar erklärt, auch wenn das Urteil wenig schmeichelhaft war. Grundsätzlich wurden Vereinbarungen im Strafprozess gemäß § 257c StPO unter engen Grenzen für verfassungskonform angesehen, aber informelle Absprachen sind unzulässig, sofern diese die gesetzlichen Vorgaben nicht einhalten.

Teurer Kuss

26.02.2024 – OLG Hamm: Geldstrafe für einen erzwungenen Kuss.
Ein 49-jähriger aus Essen gab Musikunterricht und hatte nach gescheiterten verbalen Annäherungsversuchen die Geschädigte in einer überraschenden Situation zu sich gezogen und sie auf den Mund geküsst. Vor dem Amtsgericht Essen...

Weiterlesen... ließ sich der Angeklagte dahingehend ein, dass dieser Kuss doch keine strafbare Nötigung sei, da er keine Gewalt ausgeübt und die Geschädigte nicht festgehalten habe. Das Amtsgericht Essen verurteilte den Mann zu einer Geldstrafe in Höhe von 2.000,00 €, gegen das Urteil wurde Revision eingelegt. Die Revision wurde aber vom OLG Hamm verworfen. Nach Ansicht des 5. Strafsenats erfüllte das Verhalten den Tatbestand der Nötigung, da der Angeklagte beim Heranziehen der Geschädigten Gewalt ausgeübt habe, wobei auch die möglicherweise lediglich gering eingesetzten körperlichen Kräfte für die Bejahung des Gewaltbegriffs im Rahmen der Nötigung ausreichend seien. Nur durch den Gewalteinsatz wurde der Kuss erzwungen, so dass der Angeklagte einen unmittelbaren körperlichern Zwang ausgeübt habe.

Verhängnisvoller Fehler

06.02.2024 – LG Hamburg: Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung bei Schönheitsoperation.
Der Fall hatte erhebliches öffentliches Interesse hervorgerufen. Eine junge Frau verstarb im Rahmen einer Schönheitsoperation. Die wegen fahrlässiger Tötung angeklagte Anästhesistin hatte während der Operation nicht für eine ausreichende Beatmung...

Weiterlesen... der Patientin gesorgt, die dann aufgrund Sauerstoffmangels gestorben war. Dabei passierten gleich zwei Fehler. Zum einen wurde die mangelhafte Sauerstoffzufuhr nicht bemerkt, da das akustische Alarmsignal des Überwachungsgerätes ausgeschaltet war. Zum anderen hatte es die Angeklagte versäumt, die Vitalfunktionen zumindest durch Kontrolle der Überwachungsmonitore zu prüfen.
Aufgrund dieser Versäumnisse wurde die Angeklagte wegen fahrlässiger Tötung zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 2 Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der Strafe wurde aber zu Bewährung ausgesetzt. Die Strafe fiel so milde aus, weil die Angeklagte nicht vorbestraft war und den Tatvorwurf im Wesentlichen eingeräumt hat. Ferner zeigte die Angeklagte aufrichtige Reue und leidet derart an den Folgen der Tat, dass sie nicht mehr als Ärztin tätig ist, und, nach Stellung eines Rentenantrages, auch nicht mehr sein wird.